Man war der Natur schon näher.

Gerasina Candinas
Sr. Gerasina Candinas

Können Sie sich an Sagen oder Fabeln erinnern?

In der Val Sumvitg erzählten sie die Sage des „Paul Luziet“. Der lebte da hinten ganz isoliert und spielte manchmal seine Streiche. Uns drohten sie höchstens mit der “Metta da fein”. Das war die Sage der alten Frau mit der Sense, die kam, wenn man durch die Felder lief und das Heu niedertrampelte. Meine Mutter erzählte auch manchmal von einem Mann, der oben in Cumpadials wohnte. Der konnte gut mit Kräutern umgehen und konnte heilen.

Sonst machten wir viel Tee. Malvenblätter musste man immer im Haus haben, auch für die Tiere. Dann die Johannisblumen, die legte man in Öl ein und liess es ziehen. Das war etwas ganz Besonderes. Zum Beispiel im Sommer, wenn man einen Sonnenbrand hatte und die Haut sich schälte, musste man das einreiben. Die Malvenblätter schätzte man sehr. Man schaute immer etwas davon im Haus zu haben. Mit Arnika brannten sie Schnaps. Wermuttee musste man auch immer haben. Man war der Natur schon näher. Und die Meisterwurz. Ich hatte einen Bruder, der war richtig spezialisiert darauf. Wenn wir auf dem Feld waren, plötzlich bückte er sich und grub etwas herum. Das war wirklich gut gegen Halsschmerzen, man musste nur etwas darauf rumkauen. Das war die Meisterwurz. Das half sehr gut gegen Halsschmerzen. Oder auch Hollunder, wenn man erkältet war. Ich weiss nicht mehr, wie die Mutter das genau machte aber es half schon. Man hatte halt nicht so viele Medikamente wie heutzutage. Auch Kamille, für den Kamillentee.

Pilze sammelten wir nie. Mutter mochte keine Pilze, sie wollte das nicht, sie hatte eine richtige Antipathie. Sie hatte immer Angst, dass sie giftig wären. Nur mein Bruder, wenn er auf dem Maiensäss kochte, dann machte er auch manchmal Pilzgerichte. Viele gingen auf die Jagd, wilderten sogar. Mein Vater ging nie auf die Jagd oder zum Fischen. Gion Deplazes hatte über den Placi pign geschrieben. Das war so ein richtiger Spezialist des Wilderns. Einmal hatte er darüber geschrieben, wie er sich anstellen musste, um nicht von der Polizei gefasst zu werden. Das erzählte man sich viel, dass die Surreiner frevelten, auch beim Fischen. Damals gab es noch Lachse. Heute würden sie wahrscheinlich schon schneller gefasst. Damals gab es nie jemanden, der etwas verraten hätte. Wenn man nicht gerade mit dem Wildhüter zusammen traf…