Man kann es sich kaum vorstellen, dass sie früher die Kraft zum Arbeiten hatten.

Augustin Candinas
Augustin Candinas

Wir hatten eine Waldgruppe in Val und es herrschte grosse Armut. Ausser Polenta und Polenta von morgens bis abends gab es nichts. Eines Tages fragten sie meinen Vater “hättest du nicht ein paar Ferkel?” “Doch, ich hätte vier. Eine Muttersau hat geworfen. Die wiegen 14, 15 kg.” Sie würden alle kaufen – das war strengstens verboten. Der Vater stand früh auf, um vier Uhr, schlachtete sie und weidete sie aus. Um fünf Uhr kam einer heimlich mit dem Rucksack herein, nahm alles und ging hinauf. Sie machten Voressen mit einer guten Sauce und sagten “das ist schon grossartig”. Im September holten sie ein 9 kg – Ferkel, also lebend 14 kg. Das hatte Fr. 4.70 gebracht. Ohne Karten, das ging alles heimlich. Hätte man sie erwischt, …

Ich muss sagen, während des Krieges, wir mussten nie Hunger leiden. Ein Bauer hatte es nicht so schlecht. Dann musste man noch ein bisschen hinter dem Rücken etwas machen, das nicht gleich alle wussten. Mal ganz heimlich eine Ziege schlachten wenn man nicht genug Fleisch hatte. Ziegen hatten wir immer.

Die Butter holten sie von den Alpen. Man brauchte Butter, wenn man kochen wollte, aber man musste alles abgeben. Wir hatten den Konsum (Laden), der Administrator war ein Onkel. Der konnte sich schon anstellen und brachte manchmal einen Sack Polenta. Sonst holte man einen Sack Mehl und diesen brachte man dann in die Mehlkammer, wie wir dieses Zimmer nannten. Das reichte dann lange um Pizokel zu kochen. Und Polenta… und Marmelade…ich sage dir, noch heute, wenn ich Stachelbeeren nur sehe…. Ich sagte meiner Frau, kaufe nie solche Marmelade… Wir hatten 10 Liter-Kessel….

Sur Cathomas hat auch was Gutes erzählt. Er war mit zwei aus Surrein auf der Alp. Eines Tages sind sie in die Val Naustgel gekommen und da hatten die Waldarbeiter so ein Hütte aufgerichtet. Und sie drei dachten sich, ob sie wohl da hinein kommen. Das war ein Sonntag und niemand war dort. Also quetschten sie sich durch die Holzspalten und kamen in die Hütte. Da hatte es einen Kessel mit Honig. Sie assen Honig mit dem Suppenlöffel aber zünftig. Danach den Deckel drauf und weg. Danach hatten sie Angst, jemand hätte sie gesehen.

Fleisch gab es nur ab und zu. Brot, Butter, Käse…. Und heute gibt es alles. Man kann es sich kaum vorstellen, dass sie früher die Kraft zum Arbeiten hatten. Die, die noch etwas älter waren als ich. Das hat man nicht so oft gehört. Aus einem Kessel essen…  Sie waren wie Kinder, die ein Bonbon bekommen.

Und während des Krieges hatten sie die Essensmarken. Das war nicht lustig, wenn du nicht alles aufzeigen konntest. Manchmal tauschten sie.