An den Sonntagen musste man zum Gottesdienst. Aber wir hatten eigentlich noch viele Freiheiten. Wir kamen dann oft ganze Quartiere zusammen und spielten miteinander. Wir spielten Fangen, Verstecken, Ballspiele. Wir nannten das Schlagball. Das spielten wir oft. Sogar diejenigen, die schon erwachsen waren, spielten mit. Spielsachen hatten wir nicht viel, vielleicht einmal eine Puppe oder so.
Ich weiss, einmal hatten meine jüngere Schwester und ich zu Weihnachten eine Puppe bekommen, eine zu zweit. Das war dann ein Fest! Der Bruder hatte ein kleines Pferdchen bekommen und dann setzten wir die Puppe auf das Pferd und gingen damit spazieren.
Wie feierten Sie Weihnachten?
Wir hatten es noch schön an Weihnachten. Klar, wir schmückten den Christbaum und kleine Geschenke bekamen wir immer. Schon manchmal ein Kleidungsstück, dass man so oder so benötigte, aber es war immer etwas Neues. Dann setzten wir uns zusammen und der Vater hatte noch so ein Harmonium, dann spielten wir und sangen Weihnachtslieder zusammen mit dem Vater. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Und dann war da noch das Neujahr. Wir gingen zum Neujahrsbesuch.
Da ging man schon früh am Morgen, wenn es noch dunkel war. Da kam nicht so viel zusammen, vielleicht ein paar Fünfräppler. Der Vater hatte für jeden von uns ein Kässeli gemacht. Sonst bekamen wir kein Geld, aber das Neujahrsgeld legten wir immer in diese Kasse. Diese musste der Vater immer zur Bank bringen, um sie öffnen zu lassen und wir fragten immer “Wie viel war bei mir drin, wie viel war bei mir drin?” dann sagte der Vater oft “ach, ich habe noch etwas aufgerundet”. Er war so ein guter Vater. Da ging man auch noch zu den Grosseltern oder zu den Tanten und Onkeln um das neue Jahr zu feiern.
Hatten sie spezielle Kleidung für den Sonntag?
Ja, am Sonntag trugen wir andere Kleidung. Ich hatte einmal eine Bündnertracht aber das war dann schon später. Da musste man schon einen Unterschied machen zwischen Festtagen und Werktagen. An den Hochfesten machten die Jungen Parade und dann holten sie bei den Jungfern eine Nelke ab. Das war das Symbol, dass da etwas Sympathie war. Sie trugen weisse Hosen und Zylinder für die Parade. Wir schauten dann immer, wer eine Nelke am Zylinder trug und überlegten uns, von wem er sie wohl bekommen hatte. Da gingen sie nur zu den Jungfern (Jungfrau) in den Dörfern. Manchmal, wenn die Haustüre nicht abgeschlossen war, stand plötzlich ein junger Bursche in der Türe. Sehr oft heiratete man im eigenen Dorf, selten ausserhalb.
Während des Schuljahres hatten wir nicht viele Ferien. Wir hatten bis am Vorweihnachtstag Schule und nach Weihnachten dann gleich wieder. Zwischen Weihnachten und Neujahr waren keine Ferien. Das ging im Oktober los und dann durch bis April. Wir gingen nicht weg, wir waren den Sommer durch zu Hause. Da musste wir Mädchen, als wir etwas grösser waren, das Haus putzen. Da half man der Mutter so gut man konnte.
Auf welche Zeit des Jahres freuten Sie sich am meisten?
Zu dieser Zeit freute man sich schon auf Weihnachten. Das war etwas Spezielles, Samichlaus und Weihnachten. Meine Brüder wanderten gerne und wenn fertig geheut war, durften wir auch mit. Das war zwischen dem Heuen und dem Emden eine grössere Tour. Solange der Vater noch mochte, kam er auch mit, danach gingen wir mit den zwei Brüdern. Wir wanderten über die Greina, Diesrut und hinunter nach Vrin. Einmal hatten wir die andere Route genommen, über die Greinaebene hinunter nach Olivone. Sonst hatten wir nicht so viel Gelegenheiten, irgendwohin zu gehen, aber das taten wir oft. In die Ferien fuhren wir nicht. Auch nicht zu Verwandten ins Unterland (Schweizer Mittelland). Ich ging manchmal, als ich klein war, zu einer Tante nach Sumvitg als kleine Magd, um kleine Aufgaben zu erledigen. Aber sonst gingen wir nicht.
Wir Jungen kamen immer einmal während der Fasnacht zusammen, um etwas zu tanzen, mehr nicht. Während der Fasnacht standen manchmal die Jungen in der Haustüre, die sich etwas verkleidet hatten. Dann mussten wir ihnen einen Schnaps geben und dann gingen sie wieder. Wir hatten schon manchmal solche Treffen, aber immer die Jungen und die Mädchen separat. Die Mädchen machten immer ein Zvieri (Zwischenmahlzeit), das war meistens am Schmutzigen Donnerstag. Wir hatten im Parterre ein Zimmer, eine Stube, die nicht bewohnt war und da trafen wir uns oft. Da brachte jede etwas mit, etwas Wurst, etwas Süsses oder manchmal sogar Rahm. Mutter kochte einen Kaffee und wir hatten da eine schöne Gesellschaft. Sonst gab es nicht so viel Fasnachtsbräuche. Manchmal hatten wir einen Tanzabend. Ich war keine gute Tänzerin. Damals war schon eher jedes Dorf für sich. Wir trafen uns kaum mit den Jungen aus den Nachbardörfern.
Später hatten wir dann den Frauen- und Jungfernverein, wo wir uns trafen, den Kirchenchor und die Theatergruppe. Ich selbst habe nie Theater gespielt. Das war nicht so meins. Aber man freute sich über alles, was es gab. Das war nicht sehr viel. Damals konnte man sich über kleine Dinge freuen. Früher spielten sie im Winter oft Theater in den Dörfern. Dann ging man manchmal in das Dorf, wo gespielt wurde, ins Theater. Nach Sumvitg oder nach Rabius…. und sie kamen auch zu uns, wenn wir spielten. Da ging man schon so gegenseitig hin. Aber bevor man in die Sekundarschule kam, kannte man die Jungen aus dem Nachbardorf kaum. Die sah man das erste Mal in der Sekundarschule. Nicht alle gingen in die Sekundarschule. Es gab solche, die nur im Dorf die achte Klasse besuchten. Damals hatten wir nur zwei Jahre Sekundarschule.
Machten Sie auch Wallfahrten?
Wir gingen oft nach Trun zur “Nossaduna dalla glisch” (Maria zum Licht). Das taten wir oft am Sonntagnachmittag mit den Eltern. Sonst nicht… vielleicht einmal nach Ziteil (bekannter Wallfahrtsort in Graubünden). Das war nicht so organisiert wie heute. Wir fuhren privat hin.