Finden Sie, dass vieles heute besser ist?
Naja, besser… gewisse Sachen sind schon gut. Heute darf man das Leben auch geniessen. Zu unseren Zeiten hatten wir nichts. Weichnachtsgeschenke gab es nicht. Einen Lebkuchen, Die Mutter buk immer Lebkuchen. Wenn sie einmal allein zu Hause war, ein bisschen heimlich. Und mit der Nachbarin tauschte sie Äpfel oder Birnen. Wir wussten dann nicht, von wem die Äpfel waren. Vom Samichlaus, wir glaubten das.
Hatten Sie einen Weihnachtsbaum?
Wir schmückten schon einen Weihnachtsbaum. Kugeln hatten wir ein paar wenige. Eine weiss ich noch gut, die sah aus wie eine Mühle. Die Grossmutter hatte uns ein paar Kugeln und ein paar Kleinigkeiten gegeben, um sie an den Baum zu hängen. Wir waren zufrieden mit nichts, wir wussten nichts anderes. Es gab schon Familien, die etwas besser dran waren. Selbstverständlich, die Reichen konnten schon Weihnachten feiern. Die Kinder bekamen Geschenke. Und die Familie meines Mannes hatte es so, wie bei uns. Die bekamen auch keine Geschenke. Nun, eines Tages – Grossmutter hatte das Christkind rausgelegt – kam die Tochter weinend aus der Schule und hatte die Mutter angeschrien. Die Mutter hatte gefragt, was denn los sei. “Du lügst mich an! Wir haben gar nichts vom Christkind bekommen aber die Wielands vom Lehrer, die haben alle ein Päckli bekommen und sogar Schokolade! Du sagst immer, der Herrgott hält zu den Kleinen und Armen aber die sind reich!”… so war das. Die Kinder heute, die meisten gehen nicht weit für eine Schokolade.
Bekamen Sie manchmal eine Schokolade?
Ich kann mich kaum erinnern. Wir hatten einen Onkel meines Vaters in Zürich, in Balterswil. Wenn er kam, brachte er kleine Schokolädli, ganz, ganz kleine. Ich kann mich erinnern, mein Vater war Jäger und nicht nur Jäger, er war auch ein Frevler. Er ging mit den Nachbarn, die waren nicht besser. Sie gingen oft fischen und jagen. Da mussten sie schauen, dass sie nicht erwischt wurden… Damals war die Fischtreppe in Reichenau noch nicht gebaut. So kamen die Lachse hinauf und das war schon gut für uns.
Einmal hatten wir den Pfarrer zum Nachtessen eingeladen und ein bisschen Fleisch gekocht. Sie waren auch fischen gewesen und Mutter hatte den Lachs aufgetischt. Der Pfarrer hatte es sich schmecken lassen und ich hatte, klein wie ich war schon gemerkt, dass der Vater keine Ruhe hatte, dass er sich nicht getraute zu lachen. Plötzlich fragte er den Pfarrer “Sie wissen schon, dass ich manchmal auf die Jagd oder zum Fischen gehe und ich bin nicht allein. Wäre das auch eine Sünde?” Der Pfarrer brach in schallendes Gelächter aus. “Sünde ist es schon, aber nur für die Geldbörse, wenn du erwischt wirst.” Danach ging der Vater noch viel mehr. So war das in diesen Jahren. Aber diejenigen, die sieben Kinder hatten, und nichts zum Schlachten. Ein Schwein und das musste das ganze Jahr über genügen. Das können Sie sich vorstellen.