Arbeit auf der Alp

Simeon Alig
Simeon Alig © Gieri Antoni Caviezel

Ausserhalb der obligatorischen Schulzeit musste man arbeiten gehen? 

Als mein Vater starb, mussten wir bei der Alpwirtschaft mithelfen. Meine Brüder waren bereits angestellt und einer musste die Stelle absagen, um auf dem Feld mithelfen zu können. Meine Mutter machte sich grosse Sorgen über die Arbeitsaufteilung, da einer meiner Brüder angehender Pfarrer war und der andere bis dahin immer nur auf der Alp gewesen war und noch nie zuvor gemäht hatte. Ich wurde als Knecht auf die Alp geschickt – und das im Alter von zehn Jahren. Bei Regen trugen wir Kapute, allerdings saugten diese sich mit Wasser voll. Knecht, Hirt, Zusennen und Senn bezogen in jenem Sommer die neue Hütte der Kuhalp von Ramosa. Für die damalige Zeit war diese sehr gut eingerichtet. Frühmorgens zog ich mit dem Hirten hoch hinauf, um die Kühe von der Weide in den Stafel zu treiben. Die zwei Zusennen holten die Kühe von der unteren Weide. Bevor man die Kühe so frühmorgens aus dem Schlaf riss, wäre man am liebsten selbst dort abgelegen, um weiterzuschlafen. Es kam schon vor, dass die eine oder andere Kuh fehlte, als wir bei der Hütte ankamen. Dann hiess es, noch einmal loszugehen, um die fehlenden Kühe zu suchen. Manchmal musste man sogar zwei- oder dreimal zur Suche aufbrechen, bis alle Kühe im Stafel waren. Das Allerschlimmste war der Dreck im Stall oder kaltes Wetter, da die Kühe sich jeweils die Zitzen entzündeten und dementsprechend ausschlugen. Diese Kühe musste ich dann festbinden. Die alte Hütte von Ramosa wurde beim Alpaufzug demontiert und nach Ramosa-Su transportiert und dort zusammengebaut. Von dort mussten wir das Wasser jeweils mit einem Rückentraggefäss oder mit Kannen von weither holen. Stundenlang verbrachten wir auch mit Butter schwingen. Geschlafen haben wir auf etwas Heu und alle fünf nebeneinander aufgereiht.

Stafel und Melker / Stafel e Mulscheder
Stafel und Melker / Stafel e Mulscheder

Wie viel Lohn haben Sie damals bekommen?

Wie viel ich auf der ersten Alp verdient habe, weiss ich nicht mehr genau. Später arbeitete ich auf der Nachbarsalp Diesrut. Da hat sich einiges geändert. Jeder Hirt trug die Namen der Bauern und die Nummern der Rinder in ein Heft ein. Es wurde viel gründlicher gehütet, das Vieh hatte keinen freien Lauf. Alles in allem hüteten wir zwischen 280 und 300 Stück Vieh. Mittags und abends wurde das Vieh jeweils zusammengetrieben. Die Hütte haben wir dabei kaum einmal bei Tageslicht zu Gesicht bekommen. Man brach in der Morgendämmerung auf und kehrte abends in der Dunkelheit wieder zurück. Das Vieh wurde den ganzen Tag in einer Herde gehalten. Heute völlig undenkbar. Am Schönsten war es in der Greina. Das einzige Problem bestand dort darin, die Flüsse zu überqueren, da es damals noch keine Brücken gab. Einmal ist zwischen 50 und 60 Zentimeter Schnee gefallen. Am nächsten Morgen kamen bereits die Schneemänner, um das Vieh hinunter nach Diesrut in den Stall zu treiben. Während der Nacht mussten wir Wache schieben und die Halsketten durchtrennen, falls Rinder übereinander kippten und zu ersticken drohten.

In der Nähe der Stallungen gab es eine Wiese, die gemäht wurde, um bei Schnee dem Vieh etwas Heu zu verfüttern?

Ja, die Bauern mähten ein wenig unterhalb der Hütte, jedoch nur in kleinen Mengen. In eben diesem Jahr mussten Heuballen vom Militär hinauftransportiert werden, um das Vieh durch zu füttern. Diese Soldaten waren während des Krieges in der Greinaebene stationiert.