Neben der Schule mussten noch zahlreiche Arbeiten verrichtet werden?
Mittags musste das Kleinvieh getränkt und gefüttert werden. Neben der Schule mussten wir überall helfen, wo wir nur konnten. Das hat uns keineswegs geschadet. Heutzutage denkt man, dass Kinder nicht arbeiten sollten. Mit Mass schadet das jedoch keinem Kind. Beim Pflügen haben wir die Ochsen geführt und die Ackerschollen zerschlagen sowie Wurzeln und Unkraut zusammengesammelt. Auch die Mädchen mussten die Ochsen oder Pferde führen. War der Frühling einmal vorbei, hüteten wir das Vieh in Puzzatsch. Diejenigen Bauern, die vier Kühe hatten, zählten zu jenen mit der grösseren Landwirtschaft. Die meisten hatten nur zwei.
Wie war das Leben auf dem Maiensäss?
Das waren wohl mit die schönsten Monate im Jahr, jeweils im Frühjahr und Herbst, was nicht bedeutet, dass die Arbeit ausblieb. Man musste Bergerlen fällen gehen. Dieses Holz wurde dann zum Käsen (Milchprodukte) verwendet. Holz galt zu dieser Zeit als Mangelware. Jede Haushaltung bekam 4m3 Holz zugeteilt. Das meiste davon brauchte man als Bauholz. Deshalb ging man zusätzlich auf die andere Seite des Tals, um Erlen zu schlagen. Dieses Holz transportierten wir mit einem Ochsen nach Puzzatsch. Abends liessen wir die Kühe in der Nähe des Maiensässes weiden und mussten diese dabei hüten, da es damals noch keine elektrischen Zäune gab. Jeden Abend gingen wir zum Rosenkranz-Beten.
Wie viele Leute waren im Mai auf dem Maiensäss?
Viele, die Häuser waren voll. Die Familien lebten während dieser Zeit dort oben, also in Puzzatsch.
Damals hielt jeder Bauer einige Ziegen. Wer hütete diese?
Zu der Zeit, in welcher ich noch nicht zur Schule ging, gab es noch keinen Ziegenhirt. Bis 1934 wechselten sich die einzelnen Bauern der Reihe nach ab. Nachher verfügten auch die Maiensässe über einen Geisshirt.
Welche Arbeiten waren sonst noch auf dem Maiensäss zu verrichten?
Die Männer gingen in den Wald, um Bäume zu fällen und zu rüsten. Mit dem Heuen wurde vor Sogn Placi, also vor dem 11. Juli, nicht begonnen. Manchmal fingen wir sogar noch später an.
Wann war der späteste Zeitpunkt, an dem man begonnen hat zu heuen?
Das war, soweit ich mich entsinnen kann, im Jahre 1946, als man erst am 20. Juli begonnen hatte. Es war ein schwieriger Sommer. Ständig mussten wir Fronarbeit leisten und die Strassen von Rüfen befreien.
Mit dem Alpaufzug ging auch das Maiensässleben zu Ende. Und an diesem Tag herrschte eine ziemlich grosse Spannung zwischen einzelnen Bauern. Es ging um die „Heerkuh“, der kampftüchtigsten Kuh auf der Alp.
Eigentlich zog man ein grösseres Los mit der „Heermesserin“, also der besten Milchkuh, als mit der „Heerkuh“. Der grosse Stolz eines Bauern war jedoch schon die „Heerkuh“. Es gab auch schon Streit deswegen zwischen einzelnen Bauern.
Wie spielte sich ein normaler Tag auf der Alp ab?
Die Hirtschaft musste sehr früh morgens aufstehen. Der Hirtenbube, der Kuhhirt und der Zusenn gingen auf die Weide, um die Kühe zu holen. Manchmal durfte der Hirtenbube in der Hütte bleiben und das Feuer überwachen. Anschliessend musste er schauen, dass die Kühe im Stafel blieben, was besonders in den ersten Tagen mühsam war. Dann wurde Frühstück gemacht, gekäst und die Kühe aus dem Stafel getrieben.
Wie viele Kühe hatte jeder einzelne zu melken?
In der Kriegszeit versuchten die Bauern, so viele Kühe wie möglich zu halten. Dazumals kamen schon bis zu 25 oder 26 Kühe pro Melker zusammen.
Wie wurden die Kühe den Melkern zugeteilt?
Das wurde ausgelost. Der Glückliche war derjenige, dem nur wenige Kühe mit harten Zitzen zugeteilt wurden. Die Sehnenscheidenentzündungen waren bei den Melkern gefürchtet.
Welche aussergewöhnlichen Arbeiten musste die Hirtschaft verrichten?
Fast jeden Tag musste Ziegerkäse produziert werden. Die Schotte wurde für den Abwasch von Holzgefässen benutzt, womit diese viel sauberer als bloss mit Wasser wurden. Damals gab es noch keine Milchzentrifugen. Die Milch musste also in die Gebsen getan und zu einem späteren Zeitpunkt entrahmt werden.
Damals war Butter wertvoller als Käse?
Ja, aber heutzutage ist das Gegenteil der Fall. Der Senn versuchte dazumals möglichst viel Butter zu produzieren. Den Alpnutzen durfte man vor „Sogn Barclamiu“ nicht abholen.
Wie wurde die Butter zu Hause aufbewahrt?
Irgendwo an einem kühlen Ort oder man machte Butterschmalz daraus. Am Ende des Sommers wurde die Alp-Rechnung erstellt und jeder Bauer bekam seinen Anteil an Käse, Zieger und Butter.
Wie spielte sich der Alpabzug ab?
Die „Heerkuh“ und die „Heermesserin“ wurden mit Blumenkränzen geschmückt. Da die meisten Kühe in Puzzatsch, Pignola oder Campliun blieben, war das keine grosse Sache.
Bei Schneefall mussten die Alpen teilweise inmitten des Sommers entladen werden, da keine Ställe auf der Alp vorhanden waren.
In solchen Fällen kamen dann die „Schneemänner“ zum Einsatz, weil die Kühe bei starkem Schneefall ins Dorf geholt wurden. Es ist auch schon vorgekommen, dass im September so viel Schnee gefallen ist, dass man die Kühe direkt im Dorf behalten hat, ohne sie wieder auf die Alp zu bringen. 1963 mussten wir wegen Schneefall im Juli jede Woche einmal die Kuhalp entladen. 1954 mussten wir kurz nach der Bestossung, die Kühe vier Tage lang in Puzzatsch durchfüttern.
Nach der Alpentladung kam die wohl schönste Zeit für die Buben, die Zeit der Gemeinatzung?
Ja, dann waren sie wieder beieinander und konnten den einen oder anderen Unfug treiben.
Im Herbst sowie im Mai wurde auf dem Maiensäss gekäst. Tat das jeder so wie er es für richtig empfand oder gab es Käsekurse?
Das hatte jeder mehr oder weniger im Griff. Hie und da und vor allem bei Schneefall im Sommer wurde ausserordentlich fettig gekäst. Sonst wurde aus der Milch möglichst viel Butter gemacht. Bei grosser Hitze bestand das Risiko, dass die Milch sauer wurde.
Der Alpnutzen war ausschlaggebend für das Überleben. Lebte man nur vom eigenen oder konnte man es sich leisten, einige Sachen zu kaufen?
Lebensmittel kauften wir selten. Ein bisschen Mehl, Salz, Zucker und Polenta. Vier Kühe produzierten genug Käse und Butter. Früher empfand man es noch als Verschwendung, wenn der Senn auf der Alp 35 Liter Milch brauchte, um ein Kilogramm Butter zu produzieren. Heute werden oft 100 Liter Milch für die gleiche Menge Butter benutzt. Falls der Senn zu viel brauchte, riskierte er im nächsten Sommer, nicht mehr angestellt zu werde.