Ausbildungen gab es nicht. Man lernte “by doing” also durch die Praxis. Der Sohn vom Schreiner wurde auch Schreiner und wenn er gut war, konnte er vielleicht etwas mehr schreinern und wenn er noch besser war, konnte er vielleicht bei einem Neubau oder auch auswärts arbeiten gehen und wurde dann hauptberuflich Schreiner. Mein Vater ist 1906 geboren und er hatte bei seinem Götti Schreiner gelernt. Er wurde dann für ein Jahr nach Glarus geschickt, damit er noch eine Fachausbildung machen konnte. Er war einer der Wenigen, die das machen konnten, es war fast ein Zufall irgendwie. Sonst mussten sie auswandern und im Sommer mussten die Kinder bis zum Ersten Weltkrieg 1918 ins Schwabenland. Das waren die “Schuobachecler” (Schwabengänger). Der Kanton schaute dann immer, nicht zu viele ziehen zu lassen. Die katholische Kirche war auch dagegen, wegen der Moral, aber andererseits musste man sie doch ziehen lassen. Es hiess dann immer “quel ei naven dalla meisa” (der ist weg vom Tisch). Sie gingen nach Süddeutschland und hatten dort verschiedene Dienste;
Kühe oder Kinder hüten oder ein bisschen helfen. Ihnen ging es häufig etwas besser. Wenigsten für ein halbes Jahr konnten sie genug essen und kamen auch noch mit Kleidern oder sonst etwas zurück. Geld an sich hatten sie nie, aber sie wurden gefüttert und kamen mit Kleidern zurück. Es gibt auch andere Geschichten, die nicht so positiv tönen über diese Schwabenkinder. Aber die Schwabenkinder wurden nicht schlechter behandelt, als wenn sie daheim gewesen wären. Die wären zu Hause verhungert. Die Gemeinden versuchten gegen 1900 Leute, die Taugenichtse waren, zum Auswandern zu bewegen, indem sie sie unterstützten. Sie zahlten zum Teil sogar die Reise und schickten sie weg. In den Gemeindeverordnungen 1850 kam das Problem auf, dass diese Leute dann gemeindegenössig (abhängig von Gemeinwesen) wurden und das versuchte man mit allen Mitteln zu verhindern.
Nach dem Napoleonischen Krieg durfte man zum Teil weniger Söldner schicken und dann hungerten sie hier. Während des Zweiten Weltkrieges wurde es zum Teil besser. Dann sind sie von den Städten zurückgekommen und konnten hier arbeiten, aber das war nur so, weil die Wirtschaft sehr unterstützt wurde. Geld gab es nicht, aber wenigstens zu Essen. Jetzt ist die Auswanderung eine ganz andere. Heute herrscht die “Qualifizierte Auswanderung”, man hat einfach bestimmte Arbeitsplätze hier nicht. Das hatte man früher zwar auch nicht. Einer der studiert hatte, aber das waren ganz wenige, der ist vielleicht als Jurist ins Unterland gezogen und ist da in die Politik gegangen, wurde vielleicht Regierungsrat und seine Kinder wuchsen da auf.
Das heisst die Auswanderung, aus welchem Grund auch immer, die hat es hier immer gegeben?
Ja, aber nicht nur Auswanderung. Es gab auch die Zentrumswanderung. Zum Beispiel im Tenigerbad und überhaupt in den Tälern gab es Dauersiedlungen. Das heisst, man wohnte immer dort. Das ging dann weit nach hinten und dann später, sei es wegen der schlimmen, rauen Verhältnisse sind sie zurückgekommen. Auch wegen der Schule kamen sie dann immer näher zum Zentrum nach Surrein. Damals gab es viele Kinder in Surrein und sie gingen da in die Schule. Heute müssen sie nach Rabius und danach nach Trun. Das führte so auch zur Konzentration. In Val gab es Jahrzehnte lang keine Kinder, dann gab es wieder welche. Die sind jetzt aber auch aus der Schule. So gab es immer wieder Familien, die in den Tälern wohnten und wegen der Schule wieder in die Zentren kommen mussten.