Mit Vals war ich ja immer sehr stark verbunden, aber ich habe mich auch in St. Moritz sehr wohl gefühlt. Ich konnte dort auch meine Postkarriere machen. Anfangs war ich Briefträger, mit dem Velo. Später fuhr ich mit dem Auto mit Paketen bis nach Maloja.
Dann kam der Vorschlag, mich zum Postbeamten ausbilden zu lassen. Diese Möglichkeit war neu, vom uniformierten Pöstler zum Bürofachmann umzusteigen. Zu Zweit haben wir uns angemeldet und uns auf die Prüfung vorbereitet. In Chur traten insgesamt sechs Kandidaten zur Prüfung an. Wer die schriftliche Prüfung bestand, konnte nachmittags zur mündlichen antreten. Ich wurde am Nachmittag vor ein Büro beordert und stand ganz allein da. Ich zweifelte, ob ich am richtigen Ort war. Plötzlich ging die Türe auf und ein Experte bat mich ins Büro und sagte: „Herr Schmid, Sie sind allein, alle andern haben die schriftliche Prüfung nicht bestanden“. Ich konnte damals unter anderem meine Französischkenntnisse aus Vallorbe unter Beweis stellen. Nach der mündlichen Prüfung verordneten mir die Experten eine zweijährige „Zusatz-Lehre“. Im ersten Lehrjahr war ich in Samedan, im zweiten in Pontresina. Meine Familie konnte weiterhin in St. Moritz wohnen, ich pendelte jeden Tag. Nach zwei Jahren wurde ich diplomiert mit einem guten Abschluss, der vor allem auf den guten Lehrmeister Guidon zurückzuführen war. Mit ihm verstand ich mich bestens. Übrigens: Bei seinem Bruder Jacques (Künstler) hatte ich noch Französischstunden.
Anschliessend bekam ich in St. Moritz eine interessante Stelle im Reisedienst. Beinahe gleichzeitig starb der Posthalter von Vals. Verschiedene Personen haben mich angehalten, mich als Posthalter in der eigenen Gemeinde Vals zu bewerben. Ich brauchte Bedenkzeit. Dann ergab sich in Vals eine Lösung für fünf Jahre. Die Witwe des Posthalters war bereit – zusammen mit ihrer Tochter – die Posthalterstelle für fünf Jahre weiterzuführen. Nach weiteren fünf Jahren in St. Moritz trat ich 1969 die Stelle als Posthalter in Vals an und habe es nie bereut. Auch meine Frau sehnte sich nie nach St. Moritz zurück, wo sie doch aufgewachsen war.