
In unseren Bergdörfern gab es früher meistens grosse Familien, war dies auch bei Dir der Fall?
Auch unsere Familie zählte 10 Kinder, 7 Mädchen und 3 Knaben. Als Zweitältester musste ich früh bei der Feld- und Stallarbeit anpacken und gewisse Arbeiten auch in eigener Verantwortung übernehmen. Die Schulzeit dauerte damals von Mitte Oktober bis Mitte April. Am Tag nach Schulende hiess es beim Pflügen der Äcker zu helfen. Als ältester Bruder fiel es mir bereits früh zu, das Ochsengespann beim Misten oder beim Pflügen zu führen. Das war nicht immer einfach. Einmal verscheuchten sich die Ochsen, ich geriet unter den Wagen und die Ochsen liefen davon. Zum Glück blieb ich unverletzt. Nachher hatte ich aber grossen Respekt vor diesem Einsatz.
Als die jüngeren Geschwister langsam nachkamen wurde ich im Sommer bei anderen Bauern im Dorf als Knecht verdingt. Im Frühjahr und im Herbst musste ich das Vieh in den weitentfernteren Maiensässen von Crestaulta auf Gemeindegebiet von Vignogn auf der anderen Talseite hüten. Da gab es fast keine Zäune und jeder durfte sein Vieh nur auf das eigene Land weiden lassen. Nach dem 3. Oktober mussten wir das Vieh wieder nach Hause holen, da auf Gemeindegebiet von Vignogn die Freiatzung galt. Auswärtige Bauern durften dieses Bürgerrecht nämlich nicht in Anspruch nehmen. Auch bei der Wald- und Weidenutzung gab es zwischen einheimischen Bürgern und auswärtigen Hintersässen verschiedene Taxen.