Die Berufswahl am Ende der obligatorischen Schulzeit war für uns „Meigga“ (Mädchen) fast kein Thema. In einer Grossfamilie gab es immer genügend Arbeit. Während sich meine Schwester vor allem in der Landwirtschaft engagierte, habe ich im Laden und im Haushalt mehr Verantwortung übernommen. Ich habe für meine jüngeren Brüder und Schwestern die Wäsche gemacht, falls nötig auch geflickt. Meine Schwester und ich haben unsere Eltern auch im Erziehen der jüngeren Geschwister unterstützt, denn der Altersunterschied vom ältesten zum jüngsten Kind beträgt 15 Jahre.
Mein Berufswunsch war eine Zeitlang, Schneiderin zu werden. Mit einer geeigneten Lehrstelle hatte es nicht geklappt. Frau Helena Rieder-Schnider hatte als erste Frau aus Vals die Bäuerinnenschule im Kloster Ilanz besucht und diese sehr gerühmt. Das kam auch meiner Mutter zu Ohren. In der Folge hatte sie dann vier von fünf Töchtern auf die Bäuerinnenschule geschickt. In der Tat hatten wir dort bei den Ilanzer Schwestern viel gelernt, unter anderem Weben, Spinnen, Schneidern und anderes mehr. Die Schwestern haben auch das Interesse für Trachten, für das Trachtentragen geweckt.
Nach Abschluss der Bäuerinnenschule habe ich zusammen mit Helena Rieder-Schnider einen Trachtennähkurs in Vals mit Erfolg organisiert. Für mich selber habe ich nach und nach drei Trachten genäht: Die Bündner Sonntags- und Werktagstracht sowie die Valser Festtagstracht.
Es folgte dann die Gründung der Trachtengruppe Vals, deren Präsidentin ich über viele Jahre war. Höhepunkte in unserem Vereinsleben sind jeweils die hohen kirchlichen Feiertage (Fronleichnam, Kirchweihfest St. Peter und Paul), an denen wir die Valser Festtagstracht tragen. Am 6. Juni, Tag der Trachten, gibt es jeweils eine kleine Aktion im Dorf, um die Bevölkerung auf die Traditionen des Trachtentragens aufmerksam zu machen. Die Trachtengruppe Vals hatte auch die Ehre, die Jahresversammlung der Bündner Trachtenvereinigung in der eigenen Gemeinde durchzuführen.
Während der Zeit an der Bäuerinnenschule spielte ich ernsthaft mit dem Gedanken, ins Kloster zu gehen. Mir hat es bei den Schwestern in Ilanz sehr gut gefallen. Es kam dann anders: Die Mutter hat mich dann abgelenkt mit dem Argument: Zu Hause wartet viel Arbeit auf dich! In dieser Zeit habe ich auch Viktor Derungs, mein zukünftiger Ehemann, kennen gelernt.