Nach der Lawinenkatastrophe wurde der Rettungsdienst auf eine gesetzliche Basis gestellt.

Fridolin Hubert ca. 2000
Fridolin Hubert ca. 2000 © privat

Zur Zeit der Lawinenkatastrophe 1951 war ich in St. Maurice im Internat. Am 20. Januar wurden wir Valser, Josef Schmid, Emil Schnider und ich, vom Rektor plötzlich aus der Klasse gerufen. Er sagte uns, es gäbe eine wichtige Mitteilung, wir sollten auf einen Mitschüler warten, der kompetent zweisprachig sei. Dann erschien ein Bursche aus einer anderen Klasse und berichtete uns vom Lawinenunglück in Vals. Er konnte uns bereits die Namen der 21 Toten bekannt geben. Nach Jahren fragte mich mal mein Internats-Mitbewohner, Josef Schmid: „Du, weißt du noch, wer uns in St. Maurice die Mitteilung vom Lawinenunglück in Vals machte? Das war der „Blatti“, Josef Blatter, der nachmalige FIFA – Präsident“.

Im Jahre 1975, bei der zweiten grossen Lawinenkatastrophe, wurde meine Familie frühzeitig evakuiert und bei Verwandten in der Mura untergebracht. Dort waren wir zwar auch nicht ganz sicher vor Lawinenniedergängen.

In der Familie hatte ich ein ernsthaftes, persönliches Erlebnis. Meiner Frau ging es an in diesen Tagen der Lawinengefahr ganz schlecht. Als Dolmetscherin war sie dieser Situation effektiv nicht gewachsen. Ich organisierte den Helikopter, so, dass sie für ein paar Tage weg konnte nach Tomils. Sie wollte auch unsere drei Kinder mitnehmen. Darauf intervenierte ich: „Das gibt es nicht. Die Kinder sind Valser, sie müssen auch solche schwierigen Situationen ausstehen können“.

In der Folge dieser Lawinenkatastrophe wurde der Rettungsdienst in Vals ausgebaut und auf eine gesetzliche Basis gestellt. Das Bundesgesetz verlangte zu dieser Zeit, in allen Neubauten auch Unterstände, so genannte Luftschutzräume zu planen und zu erstellen. Die Erfahrung von 1975 zeigte, dass sich Bewohner/innen vor Naturkatastrophen schützen wollen, in dem sie einen nach menschlichem Ermessen sicheren Ort aufsuchen. Als Ortschef dachte ich: Was bringen Luftschutzräume in Häusern, die in der Gefahrenzone stehen? Das kann nicht die Lösung sein. Ich plädierte für sichere Sammelschutzräume und unterbreitete die Idee dem Regierungsrat. Die Regierung beurteilte das Problem als nicht aktuell.

Gemeindepräsident Fridolin Hubert ca. 1965
Gemeindepräsident Fridolin Hubert ca. 1965 © privat

Dennoch: Bei den nächsten Baugesuchen in Vals, riet ich den Bauherren, vom Bau eines Schutzraumes abzusehen. Die Baukommission befreite sie davor. Nach drei bis vier Baugesuchen wurde ich vor die Regierung zitiert und musste dort anhören, dass ich etwas Verbotenes gemacht habe, ja der Regierungsrat drohte mir sogar mit Gefängnis. Vor Konsequenzen hatte ich keine Angst, weil ich überzeugt war, dass die Idee für Vals durchaus Sinn machte. Ich wandte mich an Bundesrat von Moss, der in Vals Ferien verbrachte, und bat ihn um seine Meinung. Er sagte mir: „Hören Sie, wenn ich wieder in Bern bin, lasse ich das Problem durch meine Chefbeamten abklären.“ Nach einer Woche telefonierte mir Bundesrat von Moos höchst persönlich und übermittelte mir die Nachricht: „Der Fall ist gelöst. Chur wurde benachrichtigt. Man kann das so, wie Sie es in Vals praktizieren, machen. Falls es Schwierigkeiten gibt, stehe ich Ihnen weiter zur Verfügung.“ Regierungsrat Vieli gefiel die Valser Lösung gar nicht. Er betitelte mich am Telefon dann als „Stieragrind“(„Starrkopf“), was er allerdings später mit dem Respekt vor Gemeindepräsidenten, die sich für sinnvolle Lösungen in der Gemeinde total einsetzen, wieder relativierte.