Wenn man kein Bauernkind war, musste man in der schulfreien Zeit immer weg.

Fridolin Hubert ca. 2000
Fridolin Hubert ca. 2000 © privat

Damals (wie heute auch) war es wichtig für ein Kind, einen Platz unter anderen zu bekommen, um sich in einer Gemeinschaft wohlzufühlen. Die meisten Kinder waren Bauernkinder. Daneben gab es einzelne Kinder von Nichtbauern wie meine Eltern. Man wusste nicht so recht, ob man zu dieser dörflichen Gemeinschaft gehört oder nicht. Man gehörte einfach zu den Anderen. Bei mir kam noch ein anderes Merkmal dazu: Rothaarige wurden meistens überall ausgestossen. Ich habe in dieser Beziehung nur gute Erfahrungen gemacht. Dies setzte voraus, dass man schulisch relativ stark war. Man musste sich Respekt verschaffen und das ist mir gelungen. Die Schulzeit habe ich in sehr positiver Erinnerung.

Was halt war, wenn man nicht zu den Bauernkindern gehörte, man musste in der schulfreien Zeit immer weg, an einen Platz bei fremden Leuten, im Frühling, Sommer und Herbst um in der Berglandwirtschaft Geld zu verdienen. Von da her habe ich nicht so gute Erinnerungen, ich vermisste manchmal unser eigenes Familienleben. Dazu kam, dass meine Mutter den Laden führte und ständig auf Abruf (wenn die Glocke läutete) für andere zur Verfügung stand. Man hatte manchmal das Gefühl bekommen, man sei überflüssig.

Wie stand es mit der Mithilfe im Laden?

Die Rollenverteilung war damals noch anders. Ein Bub hatte natürlich gewisse Arbeiten nicht gemacht. Meine Schwestern dagegen mussten im Laden mithelfen. Es hiess dann schon: Der Bub soll wenigstens beim Abwaschen und Abtrocknen mithelfen. Mein Stolz liess es nicht zu, jedoch dem Befehl meiner Mutter musste ich mich unterordnen. Ich habe immer wieder überlegt, wie ich mich vom Abwaschen und Abtrocknen wieder befreien könnte. Ich habe dann einen Teller fallen gelassen, der in Stücke zerbrach. Darauf folgte prompt der Kommentar meiner Mutter: „Du Galööri“(Dummkopf)! Wahrscheinlich bekam ich noch eine Ohrfeige dazu. Dann ging das wieder weiter. Ein paar Tage später habe ich wieder eine Schüssel fallen gelassen. Diese Situation provozierte bei der Mutter diese Aussage: „Dich kann man überhaupt zu nichts gebrauchen!“

Unsere Familie wurde stark geprägt vom frühen Tod meiner ältesten Schwester. Beim Spielen rollte ihr Ball in den Rhein, meine Schwester wollte ihn holen und war dabei ertrunken. Dieses Ereignis liegt wie ein Schatten über unserer Familie. Vor allem die Mutter konnte es nie verarbeiten. Eine Künstlerin hatte von meiner ältesten Schwester Anneli ein Portrait gemalt, welches bis auf den heutigen Tag einen besonderen Platz in der Stube bekommen hatte. Der Ort, wo das Bild hängt, blieb stets ein Zufluchtsort. Bei Schwierigkeiten suchte vor allem meine Mutter diesen Ort in der Stube immer wieder auf. Meine älteste Schwester war in diesem Sinne immer präsent, auch für mich als jüngstes Kind in der Familie.

Im Frühling und Herbst (Weidezeit) wurde ich bei „ds Hubertsch“ (bei Verwandten der Familie Hubert) in Zerfreila als „Knechtlein“ verdingt. Im gleichen Haus waren wir drei Buben, die einander Gesellschaft leisteten. (Toni Schmid, Josef Schmid und ich) Im Sommer war ich in Mon (Oberhalbstein) bei Onkel und Tante und half dort beim Heuen. So war ich im Schulalter ständig weg von der Familie, bei Verwandten. Ich habe zwar überall wunderbare Verhältnisse angetroffen, trotzdem vermisste ich hie und da die eigene Familie.