In unserer Familie konnte der älteste Bruder eine Lehre machen, eine KV-Lehre. Für die jüngeren reichte das Geld nicht. Eine gute Möglichkeit war damals, die Postlehre, die Lehre als Briefträger zu machen. Ich habe mir ausgedacht, dass ich so meinem Vater vom ersten Tag an finanziell nicht zur Last falle, ihm sogar helfen kann.
Zuerst, nach Abschluss der Sekundarschule, suchte ich eine Stelle im Welschland, um noch besser Französisch zu lernen. Ich verbrachte ein Jahr in Vallorbe als Ausläufer in einer Bäckerei.
Warum gerade Vallorbe?
Zu dieser Zeit machten verschiedene Mitschüler/innen, welche die Sekundarschule besucht hatten, einen Welschlandaufenthalt. Es war Mode, das Französisch aufzubessern. Vom Hörensagen suchten sich Mädchen und Knaben einen Job im Welschland, vor allem solche, die später im Hotelfach Arbeit suchten. Ich war ein ganzes Jahr in Vallorbe, ohne ein einziges Mal nach Hause zu fahren. Mir hat das geholfen. Dank dieses Aufenthaltes im Welschland hatte ich nachher bei der Post grössere Chancen aufzusteigen.
Nachher habe ich mich bei der Post gemeldet. In Chur war ich mit meiner Anmeldung zu spät. Man vermittelte mich weiter nach Zürich. Dort hat es geklappt: drei Jahre Lehre als Briefträger. Die Arbeit in der Stadt Zürich hat mir gut gefallen, aber das Wohnen und Leben nicht. Mich zog es wieder nach Graubünden zurück. In St. Moritz trat ich meine erste Stelle nach der Lehre an.
Von Zürich nach St. Moritz – Ist das nicht einfach ein Wechsel von einer Stadt in die andere?
Nein, nein, St. Moritz hatte damals noch nicht den städtischen Charakter eines Weltkurortes. Es hatte etwa 3000 Einwohner; St. Moritz hatte noch Dorfcharakter. Nach 15 Jahren Arbeit auf der Post von St. Moritz kannte ich praktisch alle Einwohner/innen beim Namen. Heute noch, wenn ich bei meiner Tochter auf Besuch bin, sprechen mich ältere Leute mit meinem Namen an, obwohl ich bereits 1969 weggezogen bin.