Wische, Schroteisen, Triste

Barclamiu Pelican
Barclamiu Pelican © Gieri Antoni Caviezel

Ferien war damals ein Fremdwort?

Genau, denn wir mussten den ganzen Sommer über Heuen. Bei schlechtem Wetter wurde auf Vorrat gemäht und wenn das Wetter schön war, mussten wir tagelang rechen. Oft wurde mit Heuhaufen oder Heinzen gearbeitet. Trotzdem war es unvermeidbar, das auch schlechtes Heu darunter was.

Der erste Schnitt in den unteren Lagen gab nicht viel her, da man im Vergleich zu heute viel mehr Ackerland in Dorfnähe hatte?

Während der Kriegszeit war das Pflügen obligatorisch und die Fläche der Fettwiesen war relativ klein. Wir mussten also aus den vorhandenen, teils unergiebigen Wiesen den grösstmöglichen Nutzen ziehen. Das Heu in Dorfnähe wurde in Heutüchern in die Scheune getragen. Das Wildheu hingegen musste in Heuschobern oder Tristen am Berg gelagert und konnte erst später zu Tale gebracht werden. Jene Bauern mit Pferden hatten es ein wenig einfacher das Heu, zu transportieren. Ochsen wurden selten eingesetzt, da die Strassen oftmals für ein Fuhrwerk nicht geeignet waren. Eine weitere Arbeit bestand in der Getreideernte im Herbst. Das Getreide wurde damals noch von Hand gedrescht. Die Terrassen im Gelände zeugen davon, dass sogar auf 1600 Meter über Meer Getreide oder Kartoffeln angepflanzt wurden.

Alter Pflug in Vrin
Alter Pflug in Vrin © F. G. Stebler, Fototeca dal DRG

Anschliessend musste das Getreide in die Mühle gebracht werden?

Ja, davon gab es zwei.

Was wurde damals alles angebaut?

Dinkel, Roggen und Nacktgerste.

Wie wurde das Getreide in schlechten Jahren getrocknet?

Das Getreide wurde auf die Tennreite gelegt. In Vrin gab es keine Kornhisten.

Ist es auch schon vorgekommen, dass die Kartoffeln und das Getreide vom Schnee zerstört wurden oder dass die Ernte überhaupt ausfiel?

Ja, der Schnee und Frost haben mehrere Male für Ernteausfälle gesorgt.

Die Leute waren damals viel abhängiger vom Klima und der Natur als heutzutage. Wie ging man mit dieser Unsicherheit und diesem Überlebensdruck um?

Die Leute vertrauten viel mehr auf den Herrn.

Dorfansicht Vrin-Cons
Vrin-Cons © C. Meisser, Staatsarchiv Graubünden

Um durchzukommen, ging man auch an hochgelegenen Steilwiesen Wildheuen?

Man musste früh aufstehen und noch bei Dunkelheit aufbrechen. Da es damals nur wenige Heuscheunen gab, mussten wir Tristen, also grosse Wildheuhaufen machen, was eine heikle Angelegenheit war. Das Heu musste sehr gut verteilt und angedrückt werden, vor allem auf der unteren Seite sowie in der Mitte, damit es sich nicht mit Wasser vollsog oder sich verzog.

Wie gross waren diese Tristen? Wie viele Bündel ergaben sie?

Zwischen zwei und zwölf Bündel.

Dieses Heu wurde erst im späten Herbst ins Tal transportiert. Wie funktionierte das?

Wenn möglich, tat man dies bevor der grosse Schnee kam. Im ganzen Gebiet zählte man damals bis zu 60 Tristen.

Der Transport von Heubündeln war eine Gruppenarbeit?

Für vier Bündel Heu benötigte man mindestens vier Männer.

Wie verlief der Transport von Wildheu genau?

Zuerst musste man die Heuseile, bestehend aus einem Zugseil und zwei Bindseilen, verlegen. Nachher wurden einige Wische mit dem Rechen oder von Hand gemacht und ziegelförmig auf die Seile gelegt. Mit dem Heuschroteisen wurde dann die Triste geviertelt und das Heu plattenförmig aus dem Heuhaufen herausgenommen und zu Bürden geschichtet. In der Folge wurden die Wildheubürden zu einer Schleiflast gebunden, indem man das Zugseil in der Längsrichtung darumherum zog und die Bindseile im Zickzack über die Bürde führte und schliesslich seitlich je dreimal ineinander verschlaufte. Im Gebiet unterhalb des Piz da Vrin gab es vier Schleifrouten.

Bürden / faschs
Bürden / faschs © Baseli Collenberg

War es schwer, die Heubündel die Schusshalde hinunterzuziehen?

Am Anfang schon. Ausserordentlich anstrengend war es, die Heubündel durch eine Ebene zu ziehen. An Steilhängen hingegen ging es teilweise fast zu schnell. Man konnte sich, falls man es wagte, hinten auf das Heubündel stellen und den Hang hinuntersausen. Dass man sich überschlug, kam immer wieder vor.

Damals existierte noch das System der Halbpacht oder Drittelpacht. Wie funktionierte dieses System?

In der Regel gab man eine Magerwiese in Halbpacht, in der Kriegszeit sogar in Drittelpacht. Das bedeutet, dass zwei Drittel des Ertrages dem Besitzer zustanden. Das andere Drittel durfte jener behalten, der das Heu gemäht hatte.

Wie viel Milch gaben die Kühe, als Sie begonnen haben, als Bauer zu arbeiten?

Zwischen 2500 und 4000 Litern in 300 Tagen galten als gut bis sehr gut. Viele gaben jedoch nicht einmal mehr als 2000 Liter. Über 4000 Liter waren eher selten. Die Menge ist im Laufe der Zeit sukzessive angestiegen. Heute müssen die Kühe zu viel Milch liefern.

Die Stiere waren im Besitz der Genossenschaften. Wer entschied, welchen Stier man kaufte?

Dafür gab es eine Kommission. Bei einem Misserfolg in der Zucht, gab es massive Kritik.

Dann mussten die Kühe, die man decken lassen wollte, zum Stier geführt werden. Künstliche Besamungen gab es erst viel später.

Die Kühe mussten zu jenem Bauer gebracht werden, der den Stier fütterte. Je nachdem konnte der Weg sehr lang sein. Abkalben liess man wenn möglich erst ab anfangs Dezember.